Branchenübergreifend sehen wir einen immer stärkeren Fokus auf den Aufbau einer digitalen Belegschaft. Dabei wird das Ziel verfolgt, durch die Automatisierung von zeitraubenden Arbeitsaufgaben eine höhere Produktivität zu erreichen, aber auch – und das wird vielfach unterschätzt – ein relevanterer Arbeitgeber zu werden.
Für mich bedeutet eine digitale Belegschaft nicht, dass alle Mitarbeiter nur an ihren Laptops, Tablets oder Telefonen arbeiten und nie wie echte Menschen miteinander kommunizieren oder persönlich miteinander interagieren. Vielmehr ist es für mich ein Ansatz, bei dem das Unternehmen versteht, wie digitale Werkzeuge den Führungskräften und Mitarbeitern bei ihrer Produktivität helfen können. So können Führungskräfte mehr Zeit für das Wesentliche aufwenden, nämlich eine echte menschliche Beziehung entweder zu den Mitarbeitern oder zu den Kunden aufzubauen und aufrechtzuerhalten.
In diesem Artikel der Themenreihe Utopia Gastronomica möchte ich mich nun diesen Fragen widmen:
Viele Gastronomiebetreiber haben massiv in die Digitalisierung des Kundenerlebnisses investiert. Dies reicht von Marketinglösungen bis zu optimierten Prozessen, wie etwa Essen online oder per App zu bestellen oder dem Gast Online-Reservierungen zu ermöglichen. Die Digitalisierung des Kundenerlebnisses ist wichtig, da dadurch das Umsatzwachstum vorangetrieben wird und eine Veränderung der Markenwahrnehmung hervorgerufen werden kann.
Wie Sie sicherlich bemerkt haben, änderte McDonald’s zum Beispiel sein Bestellsystem, um ein besseres Kundenerlebnis zu schaffen. Vor der Umstellung hieß es für den Kunden, Schlange zu stehen und beim Tresen zu bestellen. Jetzt wird der Bestellvorgang an einem digitalen Kiosk abgewickelt. Dieser besteht aus einem Touchscreen, auf dem sich der Kunde durch das Angebot durchklicken kann. Das Essen wird on Demand zubereitet und kommt dadurch so frisch wie möglich beim Kunden an. Diese Umstellung des Bestellvorgangs hat nicht nur das Kundenerlebnis verbessert, sondern auch die Qualität sowie das Mitarbeitererlebnis gesteigert, was sich wiederum sehr positiv auf den Umsatz ausgewirkt hat.
Ich bin mutig und würde behaupten, dass in der Gastronomiebranche der Digitalisierungsgrad der Arbeitskräfte und die Bereitschaft digital zu arbeiten im Vergleich zu anderen Gewerben im finsteren Mittelalter liegt.
Das merken wir auch zum Teil bei unseren Kunden, die in diesem Bereich noch etwas unsicher sind. Es kommt auch vor, dass die Umsetzung von Digitalisierung beim Personal auf Widerstand stößt. Viele Gründe warum etwas nicht funktioniert werden vorgeschoben. Oft ist es auch so, dass einfach die Software Schuld daran hat und es dadurch zu Fehlern kommt. Mitarbeiter wehren sich gegen neue Technologien und halten an Traditionen fest. Sie wollen keine Veränderung und betrachten das Ganze teilweise mit Skepsis. Auch in unserem Interview mit Thilo Bucquet, Leiter Konzern Services bei der Verkehrsbüro Group, wurde dieser Knackpunkt angesprochen.
Bei der Implementierung von digitalen Tools am Arbeitsplatz sind kooperative Prozesse gefragt. Das bedeutet, dass Mitarbeiter bei der Umsetzung von Digitalisierung miteinbezogen werden müssen. Nicht erst am Ende der Entscheidung, sondern schon am Beginn ist meiner Meinung nach sinnvoll. Hier empfiehlt es sich durchaus, einen Mitarbeiter oder ein paar wenige auszuwählen, um mit ihnen das Thema von Anfang an zu diskutieren und umzusetzen. Schließlich soll das Personal dann täglich mit den Tools arbeiten. Oft sieht zwar das Management die Vorteile und möchte sofort implementieren, aber grenzt dabei das Personal aus. Es geht darum, den persönlichen Nutzen von Digitalisierung für jeden Mitarbeiter herauszuarbeiten. So sieht das Personal nicht nur den individuellen Mehrwert von digitalen Tools in beispielsweise einer Arbeitserleichterung oder einer Zeitersparnis, sondern auch den Nutzen für den gesamten Betrieb.
Die Mehrheit der Restaurantbetriebe hat die digitale Reise noch nicht einmal begonnen, und ein kleiner Teil davon befindet sich erst in der Früh- oder Entwicklungsphase. Jedoch haben sich einige wenige Branchen-Innovatoren vorgenommen, die Art und Weise ihrer Workflows zu ändern, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen.
Technische und digitale Lösungen werden implementiert, mit denen die Erfahrung der Mitarbeiter durch effizientere Restaurantmanagementsysteme verbessert wird, wie Reservierung, Personal- und Dienstplanung, interne Kommunikation, Schulung oder Betriebsmanagement. Ich sehe oft, dass viele Gastronomie-Betreiber immer noch auf Tabellenkalkulationen wie Microsoft Excel für Betriebs-Checklisten oder für die Reservierung zurückgreifen. Das ist in der Wartung sehr zeitaufwändig und wirkt auf den Prozess oft eher bremsend. Zudem ist es meist nicht benutzerfreundlich, weshalb es nach einiger Zeit auch nicht mehr umgesetzt wird.
Ein großes Forschungsprojekt des McKinsey Global Institute untermauert diese Erkenntnis. Bei der Untersuchung aus dem Jahr 2015 wurde der Digitalisierungsgrad von US-Unternehmen aus verschiedenen Sektoren gemessen, einschließlich der Gastronomie- und Hotellerie-Branche. Aus dem Bericht geht hervor, dass dieser Sektor im Gegensatz zu anderen einen deutlich geringen Digitalisierungsgrad aufweist. Dies konnte vor allem beim Einsatz von digitalen Tools am Arbeitsplatz festgestellt werden.
Wie in diesem Artikel schon erwähnt wurde, haben viele Betreiber bereits Investitionen getätigt, um das digitale Erlebnis für die Kunden zu verbessern. Dies führt dazu, dass mehr Kunden durch deren Türen kommen. Das klingt alles großartig, aber was ist, wenn der Betrieb nicht bereit ist, dieses Wachstum aufzunehmen? Oder anders gefragt: Haben diese Restaurants die Kapazitäten oder Unterstützungssysteme für ihre Mitarbeiter, um das Versprechen gegenüber den Kunden einzulösen? Digitale Werkzeuge können dem Unternehmen dabei helfen, sicherzustellen, dass das richtige Gleichgewicht zwischen einem großartigen Kundenerlebnis und einem ausgezeichneten Mitarbeitererlebnis besteht.
Zur Generation Millennials gehören jene Personen, die zwischen 1981 und 1996 geboren sind. Sie zeichnen sich vor allem durch ihre Technikaffinität aus. So wissen wir alle, dass die Gruppe der Millennials hohe Erwartungen an ihre Arbeitsplätze und die ihnen zur Verfügung stehenden Tools haben. Sie wollen in Unternehmen arbeiten, die ihre Entwicklung ernst nehmen. Zugleich soll es aber auch ein moderner Arbeitsplatz mit digitalen Lösungen sein, die denen ähnlich sind, die sie als Verbraucher nutzen.
Innovatoren haben nicht nur viel Geld ausgegeben, um digital zu werden. Sie laufen keinen Modeerscheinungen hinterher und stellen sicher, dass alles, was sie machen, auf allen Ebenen des Unternehmens und bei ihren Kunden einen Mehrwert schafft. Sie haben die digitale Reise damit begonnen, sich selbst zu fragen, was es braucht, um in jeder Hinsicht großartig zu sein, und was an erster Stelle steht. Dazu zählt vor allem eine 360-Grad-Sicht auf die Prozesse im Unternehmen. Ein Tool alleine wird dafür nur selten der Heilsbringer sein. Es handelt sich vielmehr um mehrere Tools, die mit Schnittstellen miteinander vernetzt sind.
Ich habe beobachtet, dass die Innovatoren methodisch mit der Service-Gewinn-Kette arbeiten. Laut diesem Modell hängen Kundentreue und -zufriedenheit, Mitarbeiterproduktivität und -zufriedenheit sowie Servicequalität mit Gewinn und Wachstum zusammen. Gewinne und Wachstum werden vor allem durch die Loyalität des Kunden stimuliert. Diese Treue des Kunden wird als direkte Folge von der Kundenzufriedenheit angesehen. Die Zufriedenheit wird wiederum durch den Nutzwert beeinflusst, der von zufriedenen, produktiven und loyalen Mitarbeitern geschaffen wird. Und schließlich resultiert die Zufriedenheit der Mitarbeiter aus Förderungsmaßnahmen und einer Unternehmenspolitik. Diese ermöglicht es den Mitarbeitern, den Kunden einen guten Service anzubieten.
Auch haben Innovatoren dafür gesorgt, dass sie vor der Implementierung neuer digitaler Tools ihre operativen Grundlagen geschaffen haben – oder sich klar darüber waren, was sie mit Digitalisierung kurz- und langfristig erreichen wollten. Die Ziele, die mit digitalen Tools erreicht werden sollen, gilt es vorab zu definieren. Die aktuelle Infrastruktur muss dazu im ersten Schritt erhoben und gleichzeitig hinterfragt werden, ob diese in der aktuellen Form weiterbestehen bleibt.
Die First Mover verstehen die Bedeutung der Nutzung von Technologie sowohl für die Erfahrungen ihrer Kunden als auch ihrer Mitarbeiter – das wissen wir jetzt. Sie verwenden digitale Tools, um ihre Mitarbeiter besser aufeinander abzustimmen sowie agiler und produktiver zu machen. Die Werkzeuge sind Teil ihrer betrieblichen DNA.
Wichtig ist, dass Gastronomie- und Hotellerie-Betreiber die Technologie nicht einführen, um die Anzahl der Mitarbeiter zu reduzieren. Vielmehr nutzen sie diese, um die Geschwindigkeit zu erhöhen und die Belegschaft bei der eher mühsamen Arbeit zu unterstützen und zu entlasten. Insbesondere ist dies der Fall bei sich wiederholenden Aufgaben, die Manager und Mitarbeiter davon abhalten, sich auf das Kundenerlebnis zu konzentrieren oder Raum für Kreativität zu schaffen.
Sie verwenden die Tools und Technologien auch zur Messung immaterieller Echtzeit-KPIs, wie Mitarbeiterzufriedenheit und -produktivität, Weiterbildungskosten, Fluktuationsrate oder Krankentage und Fehlzeiten. Sie alle haben einen direkten Einfluss auf die Gesamtleistung des Restaurants.
Wenn ich mit Gastronomie- und Hotellerie-Betrieben, Cateringunternehmen oder Gemeinschaftsverpflegungsbetrieben arbeite, die ihre Belegschaft auf mehr Digitalisierung umstellen wollen, gehen wir mehrere Punkte ab, um den Wandel in Gang zu bringen.
Zunächst sollten Sie die Lücken und Kernprioritäten in Ihrem Unternehmen verstehen, wenn es um die Implementierung digitaler Lösungen geht. Dies geschieht, indem man dies zu einer Priorität der obersten Führungsebene macht. Es sollte nicht nur als irgendeine Projektarbeit betrachtet werden, die an HR, IT oder Operations delegiert wird. Diese Aufgabe sollte eine Top-Priorität für den CEO sein, da wir im Grunde genommen über eine organisatorische Veränderung im Unternehmen sprechen.
Sobald die Lücken und Prioritäten identifiziert sind, können Sie Strategien für die digitale Transformation entwerfen. Denken Sie daran, dass die digitale Strategie nicht etwas ist, das für sich allein stehen sollte. Vielmehr sollte sie ein integrierter Teil der gesamten Geschäftsstrategie sein. Wichtig dabei ist, dass Sie nicht einfach mit der Implementierung digitaler Tools beginnen, ohne sicher zu sein, dass sie für Ihre Mitarbeiter, Kunden sowie für das Endergebnis sinnvoll ist. Einfach starten ist in diesem Fall der falsche Weg!
Was benötigt wird sind eine gut durchdachte Strategie sowie eine konkrete Implementierung. Der Schlüssel zum Erfolg bei der Schaffung einer digitalen Belegschaft ist, dass die Menschen an vorderster Front von Anfang an einbezogen werden. Denn sie sind diejenigen, die die Digitalisierung am Arbeitsplatz zum Leben erwecken werden.
Technologie ist nichts. Was wichtig ist, dass man an die Menschen glaubt, dass sie im Grunde gut und klug sind, und wenn man ihnen Werkzeuge gibt, werden sie wunderbare Dinge mit ihnen tun.
Steve Jobs
Für mich ist ein digitaler Mitarbeiter jemand, der digitale Tools effizient einsetzen kann. Er versteht den Mehrwert von Digitalisierung für sich selbst, aber auch für den gesamten Betrieb. Der Einsatz von digitalen Tools kann dem Mitarbeiter bei der Bewältigung von Aufgaben und bei seiner Produktivität unterstützen. Doch es geht nicht nur darum, dass der digitale Mitarbeiter mit den Tools umgehen kann. Es ist auch wichtig, dass der Leiter eines Betriebes in die digitale Infrastruktur investiert, was wiederum einen Nutzen bringt. Denn dadurch kann der Mitarbeiter bei der Bewältigung von Aufgaben unterstützt werden, die er sonst ohne digitale Tools nicht so einfach erledigen kann. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass digitale Tools zusammenarbeiten und mit Schnittstellen miteinander vernetzt sein.
Es ist ebenfalls von Bedeutung, die Implementierung richtig anzugehen und diese als Top-Priorität von Führungskräften anzusehen. Der Leiter eines Betriebs sollte sich zunächst selbst fragen, was er mit der Digitalisierung im eigenen Unternehmen erreichen will. Erst dann ist es sinnvoll, sich eine Strategie zu überlegen, wie die Implementierung am besten angegangen werden soll. Bei diesem Schritt empfiehlt es sich auch, einen Partner zu suchen, der sich in Sachen Digitalisierung auskennt und weiß, was man dafür benötigt. Ebenso sollten Führungskräfte daran denken, dass es sich um einen kooperativen Prozess handelt, bei dem das Personal oder zumindest eine Auswahl an Mitarbeitern von Anfang an miteinbezogen werden müssen.
Der digitale Mitarbeiter ist, wie ich finde, ein sehr spannendes und vor allem ein immer aktueller werdendes Thema. Ich bin überzeugt, dass sich in diesem Bereich noch einiges entwickeln wird und neue Ideen hervorgebracht werden. So könnte ich mir zum Beispiel gut vorstellen, Unternehmen anhand ihres Digitalisierungsgrades und der Verwendung von digitalen Tools am Arbeitsplatz visuell darzustellen. Je digitaler also ein Betrieb ist, desto stärker und besser ist sein digitales Erscheinungsbild. Und ein Unternehmen wird dadurch digitaler, je mehr Systeme miteinander verknüpft sind. Das Idealbild wäre also ein Betrieb, bei dem in allen möglichen Bereichen digitale Tools zum Einsatz kommen.
Allerdings ist das bis jetzt nur eine Idee, die ich interessant finden würde. Ich bin auf jeden Fall schon gespannt, wie sich das Thema rund um den digitalen Mitarbeiter weiterentwickeln wird.
Und, was denken Sie darüber?
Herzlichst,
Ihr Thomas Primus