Schneller, produktiver, effizienter. So muss unser Berufsalltag häufig sein. Und auch im Privaten leben wir oft nach dem Motto „Sorry – wenig Zeit!“. Also was machen wir? Wir kochen unser Essen nicht selbst. Sondern wir lassen es kochen. Wir gehen dazu aber nicht ins Restaurant. Sondern wir bestellen unser Essen online und lassen es uns ins Büro oder nach Hause liefern. Beste Voraussetzungen für Ghost Kitchen! Ein virtuelles Gastronomie-Konzept, das die Digitalisierung der Gastronomie immer weiter vorantreibt. Und das sich ein heute schon marktbeherrschender Branchenplayer bald zunutze machen dürfte. Zu Ungunsten klassischer Gastronomiebetriebe? Schauen wir mal.
Ghost Kitchen sind Restaurants ohne Gastraum, ohne Servicepersonal und meist sogar ohne eigene Küche. Es sind rein virtuelle Betriebe, die speziell für die Essenslieferung konzipiert sind und die Zubereitung ihrer Speisen an Großküchen auslagern. Während klassische Restaurants mit hohen Ausgaben für Lokalmiete, Einrichtung sowie für Koch- und Servicepersonal kämpfen, ist die Kostenlast für virtuelle Restaurants viel geringer.
RITA bringt’s ist eine der ersten Ghost Kitchen in Österreich. Vegetarisch und biologisch wird hier gekocht und das Essen per Lastenrad an seine Bestellkunden geliefert. FoodNotify hat RITA bringt’s bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse unterstützt und betreut sie weiterhin auf ihrem Weg zu noch mehr digitaler Prozesseffizienz.
Neben Ghost Kitchen sind auch viele klassische Restaurants auf den Online-Bestellmärkten der Lieferdienste gelistet. Zu deren größten Vertretern in Österreich, Deutschland und der Schweiz gehören vor allem Lieferando, Foodora, Deliveroo oder auch Pizza.de.
Einer der globalen Big Player ist Just Eat – ein in London ansässiger Online-Bestellmarkt mit über 250.000 Restaurants und 26 Millionen Kunden. In den USA spielt GrubHub die größte Rolle. Auf diesem Online-Bestellmarkt sind über 280.000 Restaurants in über 4.000 US-Städten gelistet. Täglich werden über 745.000 Bestellungen verarbeitet.
Von der Essenlieferung profitieren alle: die Ghost Kitchen, die klassischen Restaurants und natürlich die Lieferdienste selbst. Zu Gunsten der Lieferdienste könnte sich das virtuelle Gastronomiekonzept bald verschieben. Denn sie nutzen schon heute ihre Marktmacht.
Restaurants müssen Provisionen an die Lieferdienste zahlen. Für Bestellungen, die über die Online-Bestellmärkte der Lieferdienste bei den Restaurants eingehen. So wird bei manchen Lieferservices eine Provision von 30 % verlangt.
Während Ghost Kitchen das mehr oder weniger einfach kompensieren können (weil deutlich weniger Kosten für den Küchenbetrieb), haben klassische Restaurants eine hohe monatliche Zusatzlast zu tragen: Circa 4.500 € Provision an einen Lieferdienst und sogar bis zu 10.000 € und mehr, wenn man mit zwei Lieferdiensten zusammenarbeitet.
Durch ihre digitalen Datenschnittstellen wissen Lieferdienste so gut wie alles. Welche Gerichte und Menüs bestellt werden. An welche Personen und Unternehmen geliefert wird. Zu welchen Preisen. Zu welchen Zeiten. Welche Speisen in welcher Region am beliebtesten sind. Die Restaurantbetriebe bleiben davon weitgehend bis komplett ausgeschlossen. Dieser Daten-Protektionismus seitens der Lieferdienste ist für sie selbst natürlich Gold wert. Und kann ihnen dabei helfen, das Ghost Kitchen-Business in Zukunft noch mehr anzufeuern. Und zwar ihr eigenes.
Bauen Lieferdienste nun auch noch ihre eigenen Ghost Kitchen auf, wäre ein eigener, ertragreicher Kreislauf aus Essenbestellung, Zubereitung und Lieferung sichergestellt. Vor allem klassische Betriebe müssten sich etwas einfallen lassen, um ihre Marktposition nicht noch weiter zu gefährden. Denn im Vergleich zu Ghost Kitchen ist die digitale Expertise bei ihnen deutlich weniger ausgeprägt. Was die Sache nicht gerade leichter, aber dennoch lösbar macht. Die Chance ist da. Wenn sie erkannt und deren Umsetzung sobald wie möglich angegangen wird.
Die Chance: Klassische Restaurants erweitern ihren stationären Betrieb um ein eigenes Ghost-Kitchen-Modell. Dazu müssen zum Beispiel eigene Bestelltechnologien aufgebaut, getestet und implementiert werden. Auch sollte ein geeignetes virtuelles Modell durchgespielt werden. Hierbei geht es etwa um die Frage: einen Ghost in den bestehenden stationären Betrieb integrieren? Oder eine eigene Geschäftsunit gründen, damit Kannibalisierungseffekte zwischen stationärem und virtuellem Betrieb vermieden werden?
Ein noch recht junges innovatives Tool für die Kocharbeit ist jedenfalls ein Multi-Tenant-Küchencenter. Es besteht aus einer Software-Architektur, die von mehreren Restaurants gleichermaßen genutzt wird – ohne Dateneinsicht des jeweils anderen. Kitchen United, aber auch Cloud Kitchens sind zwei amerikanische Pioniere auf diesem Gebiet.
Auch die robotergestützte Speisenzubereitung wird immer relevanter. In den USA wird künstliche Intelligenz schon länger eingesetzt, um etwa Pizza zu backen und Burger vollautomatisch zuzubereiten. Zeit- und kosteneffizient im gesamten Produktionsprozess.
Stehen sie neuen Technologien offen gegenüber, können klassische Restaurants das virtuelle Ghost-Kitchen-Konzept erfolgreich für ihren eigenen Betrieb nutzen. Denn im Vergleich zu rein virtuellen Betrieben haben sie den vielleicht entscheidenden Vorteil.
Es sind ihr Renommee und ihre Bekanntheit, die sie sich bereits aufgebaut haben. In echten Restaurants erlebt man als Gast reale, persönliche und eigenständige Restaurant-Atmosphäre. Die servierten Speisen sind ebenso top wie der Service des Bedienpersonals.
Ein gewohnt hohes Kundenerlebnis also – das mit einem neuartigen „Ghost-Baustein“ nun auf ein neues Service-Level gehoben werden kann. Den (Stamm-) Gästen nämlich die Wahl zu lassen: Genuss wie üblich im Restaurant vor Ort – oder bei sich zu Hause bzw. im Büro.
Klassische Restaurants sollten mutiger denken und agieren. Nicht erst in ein paar Jahren, sondern sehr bald. Ghost Kitchen könnten sonst zum echten Schrecken werden.